Im Sitzungsverlauf Beten und Bibellesen praktizieren

Tagesordnung trifft auf Bibelgebet

In kirchlichen Krisenzeiten besteht die Gefahr, den Glaubensabbrüchen mit Aktivismus zu begegnen, nach dem Motto: wenn wir es nur richtig machen, können wir den Trend drehen. Aber: „Gemeindekirchenräte brauchen gerade jetzt mehr Zeit zum gemeinsamen Lesen der Bibel, um herauszuhören, wie Gott unsere Lage auslegt, was er will, wo er mahnt und was er verheißt – für die Kirche als Ganze und für unsere Gemeinde am Ort“ (Michael Herbst).

Anwendungshinweise

Vorbereitung Die Sitzungsleitung (S) sucht einen biblischen Text aus, der für die Tagesordnung passt; z.B. Gottes Handeln, Leitungsstil, Kirche im Sturm, Konfliktbewältigung, begrenzte Ressourcen, Gabenvielfalt… Alle benötigen die gleiche Bibelübersetzung.

Intention Es geht darum, sich dem biblischen Wort meditativ zu nähern und sich ansprechen zu lassen.

Text Der ganze Bibeltext wird gemeinsam bewusst langsam gelesen. Die Gremienmitglieder legen die Bibel nun zur Seite.

Sinneinheiten In folgenden 5 Schritten wird der Text nochmals in Sinneinheiten (Verse, die inhaltlich zusammengehören) betrachtet:

  1. S liest die Sinneinheit vor.
  2. In der Stille bewegt jede:r die vorgelesene Sinneinheit mit hörendem Herzen und fragt, ob Gott etwas dazu sagen möchte.
  3. Nach einer angemessenen Zeit liest S die Sinneinheit erneut vor.
  4. Wer möchte, teilt nun seine Gedanken aus der Stille kurz mit. Es wird nicht kommentiert oder diskutiert.
  5. Es besteht die Möglichkeit, im freien Gebet auf diesen Text zu antworten. Wer möchte, spricht ein kurzes Gebet.

Nachdem der Bibeltext Sinneinheit für Sinneinheit meditativ-betend
durchgegangen wurde, wird mit einem Segen, Abschlussgebet oder Lied
das Bibelgebet beendet.

Kommunikatives Gebet

Bonhoeffer macht Mut, gemeinsam zu beten. „Dass eine freie Gebetsgemeinschaft das selbstverständlichste und natürlichste Ding ist und ohne Argwohn angesehen werden darf, lehrt uns das Neue Testament“. Ein Gremium, das sich darauf einlassen kann, wird die Erfahrung einer vertieften Nähe zu Gott und zueinander machen. Dies wird als kraftspendend, gemeinschaftsfördernd und orientierungsgebend empfunden.

Anwendungshinweise

Kennzeichen Diese stark begegnungsorientierte Dialogform des Gebets ist mehr als eine Aneinanderreihung einzelner Gebete. Die Beter:innen sehen ihre Gebete als Teil eines gemeinsamen Ganzen. Was der/die eine betet, setzt der/die andere fort. So zieht sich ein innerer roter Faden durch die Gebetszeit.

Sitzordnung Wo möglich, wechselt man den Raum und bildet einen Kreis oder Halbkreis.

Gebetsthemen Jede:r bringt das ein, was ihm/ihr wichtig ist, sei es Bitte, Fürbitte oder Dank.

Gebetspausen Wenn ein Gebetssatz ausgesprochen wurde, sollte danach ca. doppelt so lange geschwiegen werden. Stille ist nichts Peinliches, was schnell überbrückt werden muss. Sie ist Gottes Möglichkeit, zu uns Menschen reden zu können.

Kommunikativer Charakter Wurde für ein Thema gebetet, wird dieses vom Nächsten aufgegriffen und weitergeführt. So wird mehrfach für ein Anliegen gebetet, bis dazu kein Beitrag mehr kommt. Erst dann wird ein neues Thema eingebracht.

Gebetsregeln Es wird kurz gebetet, maximal 2 bis 3 Sätze. Ein Gebet beinhaltet immer nur ein Thema oder Gebetsanliegen. Das positive Erleben dieser Gebetsform hängt stark davon ab, dass die Gebetsleitung behutsam eingreift, wenn einzelne Gremienmitglieder diese Regeln nicht einhalten.

Abschluss durch die Gebetsleitung.

Im Wort ruhen

Wir gehen mit der Bibel oft so um, wie mit anderen Medien auch: schnell und effizient den neuen Informationsgehalt erkennen, aufnehmen und abspeichern. Aber darum geht es beim Lesen der Bibel gar nicht. Entscheidend ist nach Anselm Grün, „dass ich in ihr Jesus Christus begegne, nicht um mein Wissen über ihn zu vermehren, sondern um in der Begegnung mit ihm von seinem Wort getroffen, von seinem Blick durchdrungen und von seiner Liebe verwandelt zu werden“.

Anwendungshinweise

  • Dieser meditative Zugang zu biblischen Texten eignet sich auch für zahlenmäßig größere Gremientreffen (20 – 200 Personen).
  • Einleitungsgebet der Moderation.
  • 5 Bibelverse werden als PowerPoint-Folie präsentiert. Maximal 8 bis 10 Worte pro Vers. Eventuell werden die Verse – unter Beibehaltung der Intention – gekürzt.
  • Die Gremienmitglieder werden gebeten, einen Vers auszusuchen, der sie anspricht: „Wo reagiert Ihr Herz? Wo merken Sie intuitiv: das könnte ein Vers für mich sein?“
  • Sie werden dann gebeten, meditativ in den Bibelvers einzutauchen: „Lesen Sie den ausgewählten Bibelvers leise für sich, schließen Sie die Augen, um nicht abgelenkt zu werden, wiederholen Sie ihn leise für sich und spüren Sie ihm nach“.
  • Die Schritte werden mehrfach wiederholt. „Wiederholen Sie das Leise-Lesen, Augen-Schließen, Innerlich-Nachsprechen ruhig 4-6 mal; so lange, bis der Bibelvers in Ihnen präsent ist und Sie in ihm ruhen“.
  • Erklärung zum inneren Prozess: „Denken Sie nicht großartig über den Bibelvers nach, sondern setzen Sie sich ihm innerlich aus. Seien Sie still und warten Sie darauf, dass Gott durch diesen Vers zu Ihnen spricht. Oft ist es nur ein kleiner, stiller Gedanke, der in uns auftaucht. Geben Sie ihm Raum und reagieren Sie dann im Gebet darauf“
  • Abschlussgebet der Moderation.