„Diakonisches Profil ist das Gesicht der Diakonie“
Interview
mit Dr. Tobias Kirchhof, Referent für diakonische Profilbildung bei midi. Er hat die Toolboxen für Diakonisches Profil und Evangelisches Profil in Zusammenarbeit mit Bischöfin Dr. Beate Hofmann und anderen entwickelt.
Hallo Tobias Kirchhof! Was genau bedeutet „Diakonisches Profil“?
Kirchhof: Es ist das Gesicht der Diakonie – das, was Menschen wahrnehmen, wenn sie mit uns in Kontakt kommen, sei es als Klient:innen, Angehörige oder Mitarbeitende. Bildlich gesprochen: ein offenes, freundliches Lächeln. Konkret ist es die besondere Verbindung aus Ethos, Haltung und Hoffnung, die die evangelische Identität prägt.
Gibt es also ein einheitliches Diakonisches Profil?
Kirchhof: Nicht im Singular – es setzt sich aus vielen Elementen zusammen. Jede Einrichtung setzt ihre eigenen Schwerpunkte, abhängig von den Herausforderungen vor Ort. Aber alle schöpfen aus gemeinsamen Überzeugungen und Praktiken, inspiriert vom Vorbild Jesu.
Und wie zeigt sich das in der Praxis?
Kirchhof: Zum Beispiel in Familienfreundlichkeit – soweit das in sozialen Berufen möglich ist –, in gelebter Inklusion oder einer ermutigenden Fehlerkultur. Es geht um Respekt und Unterstützung, auch gegenüber jenen, die weniger leistungsfähig oder krank sind. Auch Nachhaltigkeit gehört dazu. Kurz gesagt: Das Diakonische Profil macht christliche Werte im Alltag erfahrbar.
Das klingt fast säkular. Wo bleibt die religiöse Dimension?
Kirchhof: Die ist selbstverständlich zentral! Diakonie ist evangelische Kirche – und das zeigt sich in Andachten, theologischen Fortbildungen, der Feier des Kirchenjahres oder auch mal in christlichem Yoga. Gleichzeitig pflegen wir den interreligiösen Austausch und den Dialog mit Menschen ohne Gottesbezug. Denn das Diakonische Profil ist neugierig und offen, schöpft Hoffnung aus dem Glauben und lebt das Bild eines Gottes der Liebe und Versöhnung.
Wer trägt Verantwortung für das Diakonische Profil?
Kirchhof: Alle – aber in unterschiedlichem Maß. „Ankermenschen“ wie Diakon:innen, Seelsorger:innen oder Pfarrer:innen prägen es besonders. Doch auch Führungskräfte tragen eine Schlüsselrolle. Und nicht zu vergessen: Klient:innen sind Teil der diakonischen Gemeinschaft und damit ebenfalls Teil des Profils.
Ist das Diakonische Profil also der USP der Diakonie?
Kirchhof: Nein, das wäre vermessen. Viele soziale Träger verfolgen ähnliche ethische und religiöse Werte, und das ist gut so! Außerdem gibt es nicht das eine Profil – es entwickelt sich individuell in jeder Einrichtung.
Was kann die neue Toolbox Diakonisches Profil?
Kirchhof: Sie hilft dabei, das Profil gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen zu gestalten. Sie besteht aus drei Teilen: Einem Profiltest mit Fragen und Kennzahlen, Ideen zur praktischen Umsetzung und einem Gesprächsleitfaden zur Weiterentwicklung des Profils.
Ein Test mit Kennzahlen – kann man das Profil wirklich messen?
Kirchhof: Nicht im klassischen Sinne. Aber der Test macht Unterschiede in der Wahrnehmung innerhalb des Teams sichtbar – etwa zwischen Führungskräften und Pflegekräften. Das schafft eine Basis für den Austausch. In 41 Fragen können maximal 70 Punkte erreicht werden – aber es geht nicht darum, eine hohe Punktzahl zu erzielen, sondern darum, die verschiedenen Perspektiven ins Gespräch zu bringen. Es geht um Reflexion und Weiterentwicklung.
Und was bietet die Toolbox noch?
Kirchhof: Sie gibt zahlreiche Impulse, wie das Diakonische Profil bedarfsgerecht gestaltet werden kann, und enthält einen weiteren Gesprächsleitfaden, um herauszufinden, was den Mitarbeitenden wichtig ist.
Es gibt auch die Toolbox Evangelisches Profil. Überschneidet sich das nicht?
Kirchhof: Sie entstand parallel, weil sich auch in kirchlichen Einrichtungen zunehmend die Frage nach Identität stellt. Viele Mitarbeitende dort sind nicht (mehr) in der evangelischen Kirche oder wenig mit ihren Überzeugungen vertraut. Hier kann Kirche von den Erfahrungen der Diakonie lernen – und midi hilft, diese Brücke zu bauen.
Vielen Dank für das Gespräch!