Was können Kirchen in Deutschland von Christinnen und Christen in Sachsen lernen?

Von Walter Lechner

Interview

Justus Geilhufe ist Pfarrer der Kirchgemeinde am Dom zu Freiberg und Hochschulseelsorger an der Technischen Universität Bergakademie. Seine Gemeinde bietet zusammen mit anderen Partnern Räume für Austausch zu gesellschaftlichen Streitthemen.

Hallo Justus! Warum braucht es gerade jetzt #VerständigungsOrte?

Justus: Das fragen sich manche, wenn wir beispielsweise hier in Großschirma die von Bischof und Landeskirche initiierte Kampagne „Für alle“ ins Rollen bringen. Oder viele wundern sich, warum zu unseren Pilgerangeboten so viele Menschen kommen, die sich explizit hier auch taufen lassen wollen.

Die Rolle der Kirche scheint mir sowohl von innen wie auch von außen etwas diffus geworden zu sein. Daran hat sie auch einen Anteil. Aber die Kirche war immer und ist ein Ort des lebendigen Glaubens, der eben das Leben der Menschen durchdringt und damit dieses Leben auch in die Kirche zurückträgt.

Derzeit ist dieses Leben geprägt von den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und deshalb kommen die in einer Kirchgemeinde, die für alle Menschen versucht zu arbeiten, eben vor. Damit wird sie zum Verständigungsort, weil und nicht obwohl sie die Kirche ist.

Welche Erfahrungen macht ihr mit Verständigungsformaten?

Justus: Die Erfahrungen sind gute. Es braucht viel Kraft und Zeit und die muss man klug einteilen. Aber es lohnt. Jede Veranstaltung hat einen Erfolg.

Ewige Streithähne, die am Ende eines Dialogabends weinen, weil sie merken, es war gut, geredet zu haben. Junge Menschen, die erzählen, sie haben extreme Parteien gewählt und nun verstanden, was das gesellschaftliche Problem einer solchen Wahlentscheidung ist.

Das sind aber am Ende Marginalien. Für mich als Pfarrer ist entscheidend, dass die Menschen der Kirche und von außen feststellen, der Raum, den die Gläubigen eröffnen, ist ein anderer, ein veränderter, ein behüteter, vielleicht auch mal ein klarerer. Die Menschen sollen bei kirchlichen Verständigungsorten merken, dass in ihnen der Geist Gottes weht. Und dem auf der Spur zu bleiben, ist unsere Aufgabe.

Was haben #VerständigungsOrte mit christlichem Glauben zu tun?

Justus: Der Glauben sagt uns zwei Dinge: Wir sind Sünder und es gibt Gott und damit so etwas wie Wahrheit und Güte hier in dieser Welt. Der Glauben entlässt uns also nie in die Eindeutigkeit einer scheinbaren Weltrettung durch eine bestimmte Ideologie. Im Gegenteil behält uns der Glauben immer auf dem fortdauernden Weg mit Gott, der uns immer wegzieht von weltlichen Führern, weltlichen Versprechungen und damit vieles von dem, was unser Zusammenleben gerade beinahe verunmöglicht, relativiert. Nur der christliche Glaube tut das.

Was können Kirchen in Deutschland von Christinnen und Christen im Osten und speziell in Sachsen lernen?

Justus: Arm und am Rand der Gesellschaft das fröhliche Bekenntnis zu leben. Niemand fragt hier nach uns, niemand kennt uns und alle merken, die Welt wird eine andere, wenn wir uns mit unserem Glauben, ja auch mit unserer Tradition und einer missionarischen Vision einbringen.

Wenn ich schon heute die lebendige Kirche der Zukunft erleben möchte – welche drei Orte würdest du mir empfehlen?

Justus: Das Kloster Neuzelle, Homeboy Industries in Los Angeles und jede sächsische Dorfgemeinde.

Danke für das Gespräch!


Mehr über die Initiative #VerständigungsOrte von EKD, Diakonie und midi erfahrt ihr unter www.verständigungsorte.de.