Wie ticken Evangelische?
Shortfacts zur Studie
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat in Folge der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) eine Mitgliedertypologie entwickelt. Grundlage ist eine zusätzliche Mitgliederbefragung von über 1.000 evangelischen Kirchenmitgliedern durch die Beratungsfirma aserto im Zeitraum von November 2023 bis Januar 2024.
Die daraus entstandene Typologie unterscheidet sechs Kommunikationstypen evangelischer Kirchenmitglieder. Basis der Zuordnung sind Einstellungen zu Kirche, Glauben und Gesellschaft, Mediennutzung, Werte, Themeninteressen und Lebensstil.
Was hat uns dazu veranlasst, eine solche Typologie zu entwickeln?
Die Ergebnisse der 6. KMU wurden von vielen als „befreiend ehrlich“ wahrgenommen. Gleichzeitig blieb die Frage offen: Was fangen wir mit diesen Befunden konkret an? Die EKD hat sich deshalb dazu entschieden, die empirischen Erkenntnisse strategisch weiterzudenken. Ziel war es, nicht nur deskriptiv zu erfassen, wie Mitglieder zur Kirche stehen, sondern aus deren Lebensrealität heraus konkrete Kommunikations- und Gestaltungsoptionen zu gewinnen.
Die Mitgliedertypologie soll helfen, Kommunikation nicht mehr primär aus der Sicht der Organisation, sondern aus der Perspektive der Mitglieder zu denken. Die Frage lautet nicht: Wie erreichen wir alle? Sondern: Wie sprechen wir wen an – und wofür?
Nach welchen Kriterien wurden die Typen gebildet?
Die Typologie basiert auf einer Clusteranalyse. Sie berücksichtigt insbesondere drei Dimensionen:
- Religiöse Orientierung (von kirchlich verwurzelt bis indifferent oder säkular)
- Thematische Interessen (religiös, gesellschaftspolitisch oder persönlich-lebensnah)
- Mediennutzung (klassisch, digital, sozial)
Aus dieser Analyse ergaben sich sechs distinkte Typen, die in Persona-Profilen beschrieben wurden.
Was sind die zentralen Befunde und Einsichten?
Die sechs Typen sind:
- Die Religiös-Verbundenen (13%)
- Die Gesellschaftlich-Verantwortungsbewussten (19%)
- Die Modern-Pragmatischen (11%)
- Die Ereignisorientiert-Empfindsamen (15%)
- Die Gesetzt-Zurückhaltenden (21%)
- Die Gleichgültig-Distanzierten (21%)
Viele schätzen Kirche als gesellschaftlichen oder emotionalen Anker. Feste, Rituale und Werte sind zentrale Bezugspunkte. Das kirchliche Leben ist für viele biografiebezogen und ereignisorientiert.
Jede Persona bringt spezifische Erwartungen und Kommunikationsstile mit. Die einen informieren sich im Gemeindebrief, die anderen über Instagram. Manche engagieren sich lokal, andere schätzen spirituelle Pop-up-Angebote.
Die neue Mitgliedertypologie hilft, diese Unterschiede ernst zu nehmen. Sie ermutigt dazu, Formate passgenauer zu entwickeln. Und sie sensibilisiert für die Tatsache: Relevanz ist nie abstrakt. Sie entsteht dort, wo Kirche konkret wird.
Was heißt das für die Kirche konkret?
Kirchliche Kommunikation braucht Vielstimmigkeit. Die eine Zielgruppe gibt es nicht. Was es braucht, ist die Bereitschaft, sich auf unterschiedliche Lebenswirklichkeiten einzulassen, bspw.:
- Spirituelle Influencer*innen für die Ereignisorientierten.
- Hochwertiges Printprodukte für die Verantwortungsbewussten.
- Niedrigschwellige Beratungsangebote für die Zurückhaltenden.
- Kasualagenturen für die Flexiblen.
Ausblick
Die Mitgliedertypologie ist kein Dogma. Sie ist ein Werkzeug. Ihr Wert liegt in der Perspektive, die sie eröffnet. Die Arbeit mit den sechs Mitgliedertypen steht erst am Anfang. Ihre Beschreibungen bieten eine erste Sehhilfe für kirchliches Handeln unter neuen Bedingungen. Sie können dazu beitragen, dass Kirche nicht nur über Menschen spricht, sondern mit ihnen.
Die Zukunft der Kirche liegt nicht allein in Strukturreformen. Sondern im Verstehen. Wer verstehen will, muss zuhören. Die neue Mitgliedertypologie bietet dafür einen Anfang.
Ab September 2025 wird es eine digitale Veranstaltungsreihe zur Mitgliedertypologie geben, die Themen, Anlässe und Dimensionen mit Blick auf die einzelnen Personae vertiefen wird. Näheres dazu kann dem jeweiligen midi-Newsletter entnommen werden.
