Was können wir in Europa von der koreanischen Kirche lernen?
Interview
Andreas Karstad ist lutherischer Pfarrer in der Nähe von Oslo. Er gehörte zur norwegischen Delegation auf dem 4. Lausanner Kongress für Weltevangelisation in Seoul und hat selbst 20 Jahre für Missionswerke gearbeitet.
Lieber Andreas! Was denkst du: Warum brauchte es diese Konferenz in Seoul?
Andreas: Ich finde es wichtig, dass wir als weltweite Christenheit mehr zusammenarbeiten, Synergien finden und gemeinsame Ideen und Strategien für die aktuellen Herausforderungen entwickeln. Die Lausanner Bewegung ist dafür weltweit eine der wichtigsten Plattformen.
Was war denn für dich diese Woche die größte Inspiration?
Andreas: Wenn ich spontan antworten soll, dann würde ich sagen: Als die koreanische Kirche erzählt hat, wie der christliche Glaube in Korea in den letzten 140 Jahren immer mehr Menschen erreicht hat. So eine Erfahrung wünsche ich mir auch für Norwegen. So eine Begeisterung, so ein Feuer. Vor allem, weil sie dabei nichts beschönigt haben.
Sie haben auch sehr ehrlich über ihre Versäumnisse und Probleme gesprochen.
Andreas: Genau. In Norwegen treffe ich andauernd Menschen, die mir Erklärungen präsentieren, warum es mit der Kirche bergab geht: die Säkularisierung, der Wohlstand, die Individualisierung, die Missbrauchsfälle. In Korea wird klar gesagt: Wir als Kirche haben Fehler gemacht. Das sehen wir – und sind bereit für echte Veränderungen.
In Korea wird klar gesagt: Wir als Kirche haben Fehler gemacht. Das sehen wir – und sind bereit für echte Veränderungen.
Du meinst, davon könnten die europäischen Kirchen etwas lernen?
Andreas: Auf jeden Fall. Erneuerung beginnt immer mit Selbsterkenntnis. Das hat auch etwas mit Demut zu tun. Da, wo Menschen oder Kirchen zu selbstherrlich werden, gerät Gott aus dem Blick. So eine Demut wünsche ich mir auch in unseren Kirchen. Wir müssten wieder öfter sagen: „Gott, wir schaffen es nicht ohne dich!“.
Letzte Frage! Stell dir vor, du triffst eine völlig entkirchlichte Person. Wie sagst du der mit einfachen Worten, warum es sich lohnt zu glauben?
Andreas: Das hängt natürlich von der Person und der Situation ab. Aber wenn ich mir einen meiner Nachbarn vorstelle, dann würde ich sagen: „Was mich zutiefst beglückt, ist, dass Gott so voller Leben ist. Er ist so großzügig – und seine Idee von Leben ist explosiv und wunderschön. Wenn ich mit Gott in Kontakt komme, dann erfahre ich eine unglaubliche Fülle an Leben, eine Fülle, die mich frei macht. Nicht nur von der Angst, sondern von vielem, was mich einschränken will.“
Wenn ich mit Gott in Kontakt komme, dann erfahre ich eine unglaubliche Fülle an Leben, die mich frei macht. Nicht nur von der Angst, sondern von vielem, was mich einschränken will.
Andreas, vielen Dank!