Lebensgefühl Corona

Von Dr. Klaus Douglass
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Am letzten Montag passierten drei Dinge, die für midi von erheblicher Relevanz waren bzw. sind. Vormittags veröffentlichten wir unsere Studie zum „Lebensgefühl Corona“. Über ein Jahr lang hatten wir Menschen durch die Zeit der Pandemie begleitet und aus den Befragungen acht sogenannte „Corona-Personae“ abgeleitet: eine Art Typologie, wie Menschen die Krise erleben und zu bewältigen versuchen.

Ebenfalls am Montag ging unsere Webseite www.pandemomat.de online. Hier können Menschen auf spielerische Weise herausfinden, welche „Corona-Persona“ sie sind, und bekommen einige erste vertiefende Informationen. Und drittens fand am Montag die diesjährige midi-Herbsttagung zum gleichen Thema statt. Die Vorträge der Tagung können Sie jetzt in einer YouTube-Playlist ansehen.

Die Studie fand eine für uns nahezu unfassbare mediale Aufmerksamkeit – googlen Sie das ruhig mal. Sogar ins heute journal haben wir es damit geschafft: wow! Die Seite mit unserem „Pandem-O-Mat“ erzielte schon nach kürzester Zeit 65.000 Klicks: Hammer! Und unsere von über 300 Teilnehmenden besuchte Tagung zeigte eine Tiefe und Seriosität des Diskurses, der jedweden im Raum stehenden Vorwurf entkräftete, wir seien mit unserem „Pandem-O-Mat“ doch zu sehr an der Oberfläche geblieben.

Ich werde in diesen Tagen häufig gefragt, was denn das Hauptergebnis der Studie sei. Allgemeingültig lässt sich diese Frage allerdings nicht beantworten, weil wir alle einen unterschiedlichen Blick auf eine solche Befragung werfen und darum nicht alle das gleiche wichtig finden.

Für mich persönlich ist das wichtigste „Ergebnis“ der Studie die Tatsache, wie positiv unsere 50 Gesprächspartner:innen auf die bloße Tatsache hin reagierten, dass ihnen jemand zuhörte. Dass sich jemand über den Zeitraum von einem Jahr hinweg dreimal rund zwei Stunden Zeit nahm, einfach hinzuhören, wie es ihnen so geht in der Pandemie. Was sie herausfordert, was sie vermissen und was ihnen hilft, die Krise in ihrem eigenen und anderer Menschen Leben zu bewältigen. Allein, dass man sie fragte und nicht mit irgendwelchen vorgefertigten Antworten überschüttete, war für viele von ihnen ein echter Gamechanger.

Ich habe das auf der Tagung in meiner Eröffnungsandacht in drei Sätzen zusammengefasst:

Wir haben im Verlauf der midi-Tagung intensiv über diese Thesen, die auch von anderen Referent:innen eingespielt wurden, diskutiert. Einigen war das zu einseitig. Sie vermissten auf der Tagung in der Tat, dass wir Antworten auf die Fragen der Menschen bzw. Lösungen für ihre Probleme bereitstellen. Sie erwarten – mit Recht! – von midi Konzepte, wie sie mit diesen Ergebnissen in ihren Kirchengemeinden oder diakonischen Einrichtungen arbeiten können.

Eine Person meldete uns zurück: „Wenn wir nur noch zuhören, kommen wir ja gar nicht mehr dazu, zu missionieren.“ Nun können Sie mir glauben, dass mir Themen wie Mission und Evangelisation wirklich am Herzen liegen. Meine Gegenthese aber wäre die: Wenn wir Mission treiben, ohne vorher richtig hingehört zu haben, stehen wir in Gefahr, Antworten auf Fragen zu geben, die die Menschen heute gar nicht mehr haben. Und kommunizieren damit gerade kein Evangelium – keine „gute Nachricht“ – für die Menschen, sondern reden an ihnen schlicht und ergreifend vorbei.

Ich habe meine Andacht am Anfang der midi-Tagung an Apostelgeschichte 17 festgemacht, wo Paulus auf dem Areopag seine berühmte Rede hält. Vorher, so heißt es, bespricht er sich tagelang (nach Vers 2 sogar „nach seiner Gewohnheit“) mit Leuten vor Ort. Er macht eine – wie wir durchaus vermuten können: betende – ausführliche Stadtbegehung. Er nimmt sich die Zeit, sich erst einmal in die Menschen dieses Ortes hineinzudenken und hineinzuspüren, Gemeinsamkeiten mit ihnen zu finden und ihre Religion und Bemühungen wertzuschätzen. Und erst, als er diese gemeinsame Ebene gefunden hat, redet er mit ihnen über das, wovon für uns Christ:innen natürlich zu reden ist: über Christus und die Auferstehung.

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Im Moment sind wir noch in Phase 1 dieses Vorgehens. Wir haben erst einmal genau hingehört und wir ermutigen Sie ebenfalls, erst einmal auf Ihre Leute vor Ort zu hören. Und nicht einfach davon auszugehen, dass wir schon wüssten, wo ihnen „der Schuh drückt“.

Natürlich wird midi Ihnen in den nächsten Wochen und Monaten einige Tools und Arbeitshilfen zur Verfügung stellen, wie Sie mit den Ergebnissen unserer Studie oder auch dem Pandem-O-Mat in Ihrer Kirchengemeinde, in Ihrer diakonischen Einrichtung oder wo auch immer arbeiten können. Am 25. Februar laden wir überdies all jene von Ihnen zu einem „midi.lab“ ein, die Lust haben, an dieser Frage mit uns zusammen weiterzuarbeiten: was wir als Kirche und Diakonie tun (und auch lassen!) müssen, um die Menschen der (post-)pandemischen Zeit wirklich zu erreichen.

Vielleicht sind Sie etwas enttäuscht, weil Sie sich von midi früher ein paar fixfertige „Rezepte“ erwartet hätten. Und wie gesagt: Wir arbeiten bereits an einigen sehr konkreten Arbeitshilfen. Aber all das wird nicht viel bringen, wenn Sie nicht einen ähnlichen Weg beschreiten und erst einmal auf die Menschen hören oder auch Ihren Wirkungsort noch einmal ganz neu betend begehen. In diesem Zusammenhang weise ich gerne auf unser Kartenset „GOTT.VOLL“ hin, das Ihnen helfen kann, Ihre nähere Umgebung und die Menschen vor Ort im Angesicht der Gegenwart Gottes besser wahrzunehmen.