Jetzt schon an Weihnachten denken

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Es wird scheinbar immer früher: Die ersten Weihnachtskekse beim Discounter habe ich dieses Jahr bereits im August gefunden. Nein, ich habe an dieser Stelle nicht vor, darüber zu schimpfen. Ganz im Gegenteil: Ich frage mich, warum der Handel schon so früh beginnt, seine Weihnachts­kampagnen auszurollen, während Kirche und Diakonie noch mit völlig anderen Themen beschäftigt sind.

Natürlich kenne ich die liturgisch korrekten Antworten auf diese Frage. Außerdem lässt die in den letzten Jahren immer höher gewordene Schlagzahl in den Gemeinden oft nicht zu, dass man sich schon im Sommer mit der Advents- und Weihnachtszeit beschäftigt. Aber spätestens im November bläst einem dann der heiße Atem des Lebens in den Nacken: Wo bekommt man jetzt auf die Schnelle ein gescheites Krippenspiel her? Wie wollen wir das Fest dieses Jahr gestalten?

Weihnachten kommt mal wieder so plötzlich. – Wie gut, dass man da auf Konzepte vergangener Jahre zurückgreifen kann. Ist es nicht genau das, was die Leute wollen: wenigstens an Weihnachten Tradition und Verlässlichkeit im ständigen Strom der Veränderung? Also: „The same procedure as every year, Pastor James.“ Die immer wieder vollen Kirchen an Weihnachten scheinen uns dabei recht zu geben.

Doch der Schein trügt. Letzte Woche ist unsere neue midi-Studie „Gottesdienstliches Leben während der Pandemie“ erschienen. Es sind wieder mal hochinteressante Zahlen, die unser sozialwissen­schaftlicher Referent, Daniel Hörsch, hier zutage gefördert hat. Ein Abschnitt beschäftigt sich dabei auch mit den Weihnachtsgottesdiensten.

Wussten Sie, dass die Bereitschaft der Kirchenmitglieder, einen Heiligabendgottesdienst zu besuchen, von 51 Prozent im Jahr 2005 auf 21 Prozent im Jahr 2019 zurückgegangen ist (S.51f)? Und das war noch vor der Pandemie. Letztes Jahr musste das gottesdienstliche Angebot COVID-bedingt erheblich zurückgefahren werden. Was das für die kommenden Jahre bedeuten wird, lässt sich noch nicht seriös prognostizieren. Aber es ist davon auszugehen, dass der Gottesdienstbesuch an Weihnachten – einer unserer kirchlichen Hochburgen – weiter zurückgehen wird.

Hörsch zitiert in diesem Zusammenhang Anna Neumaier vom „Zentrum für angewandte Pastoralforschung“ (zap) in Bochum: „Die Verbindung des Weihnachtsgottesdienstes mit dem Weihnachtsfest (ist) häufig der letzte Anker, den Kirchen in das Leben sogar ihrer Mitglieder werfen… Wenn dieser Anker einmal gelichtet wird, wenn Familien, Paare, Alleinstehende diesmal selbst ganz andere Rituale rund um das Weihnachtsfest entwickeln, steht dieser letzte Kontakt automatisch auch für alle folgenden Jahre zur Disposition. Gerade in Bezug auf diejenigen, für die der Weihnachts­gottesdienst der einzige Kontakt zur lokalen Gemeinde und zur Kirche als Institution ist, steht damit viel auf dem Spiel.“

Dem werden wir nur entgegenwirken können, wenn wir zukünftig sehr viel früher anfangen, unsere Weihnachtskampagnen zu planen, als bislang. Wenn wir hier verloren gegangenes Terrain zurückgewinnen wollen, müssen wir den klassischen Formaten, Weihnachten zu feiern, neue, andersartige Formate an die Seite stellen für diejenigen, die sich von unseren herkömmlichen Weihnachtsgottesdiensten nicht angesprochen fühlen.

Weihnachten neu erleben

Freilich ist es nicht sonderlich realistisch, dass Kolleginnen und Kollegen in Gemeinden oder diakonischen Einrichtungen die Zeit finden, hier etwas Neues zu entwickeln. Darum beteiligen wir uns als midi aktiv an der Aktion „Weihnachten neu erleben“. „24x Weihnachten neu erleben“ ist eine ökumenische Initiative, die ein komplett vorbereitetes Konzept für eine gelungene Weihnachtskampagne ausgearbeitet hat, die sowohl analog wie auch digital durchgeführt werden kann. Es handelt sich dabei um eine Art Baukastensystem, aus dem man sich selektiv bedienen und bei dem Sie jeden Baustein für sich und Ihre Bedürfnisse vor Ort abändern können.

Ein wichtiger Bestandteil davon ist das Buch „24x Weihnachten neu erleben“, das einen als eine Art literarischer Advents­kalender durch die Tage und Wochen vor Heiligabend begleiten kann. Man kann es für sich alleine, aber auch in Gruppen lesen, oder sich in WhatsApp-Gruppen darüber austauschen. Das Buch ist auch wunderbar für Vorlesedienste in diakonischen Einrichtungen oder bei Hausbesuchen geeignet.

Aber es geht auch ohne Buch, denn zusätzlich gibt es Predigtvorschläge für alle vier Adventssonntage und den Heiligen Abend (die haben dieses Jahr wir als midi beigesteuert); es gibt fertig ausgearbeitete Programme für die Kinder- und Jugendarbeit, Kleingruppen­material, Impulsvideos, Vorlagen für Social Media, Open Source-Grafiken und Vorlagen und vieles andere mehr. Höhepunkt ist bei alledem ein grandioses Live- und TV-Event, das am 4. Advent abends auf Bibel TV und am 26.12. bei RTL up ausgestrahlt wird. 

Die Kirchenkonferenz der EKD hat im September den Beschluss gefällt, „Weihnachten neu erleben“ den Gemeinden zur Partizipation nahezulegen. Die Landeskirchen – so empfiehlt sie – sollten sich hierbei vermittelnd engagieren. Mich hat dieser weise und vorausschauende Beschluss sehr gefreut. „Weihnachten neu erleben“ spricht zweifellos nicht alle Menschen an. Aber das gilt – wie wir gesehen haben – mehr und mehr auch für unsere herkömmlichen Weihnachtsgottes­dienste. Umso wichtiger, dass wir in dieser Hinsicht mehrgleisig fahren: nicht nur, um verloren gegangenes Terrain zurückzugewinnen, sondern um möglichst vielen Menschen die Gelegenheit zu geben, dieses wunderbare Fest ganz neu für sich zu entdecken.