Facetten der Einsamkeit

Die Diakonie Deutschland, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Evangelische Arbeitsstelle midi haben im Oktober 2022 die Veranstaltungsreihe „Facetten der Einsamkeit“ gestartet. Hintergrund sind zwei Publikationen, die hierzu erschienen sind von Johann Hinrich Claussen und Ulrich Lilie, „Für sich sein. Ein Atlas der Einsamkeiten“ sowie Astrid Giebel, Daniel Hörsch, Georg Hofmeister und Ulrich Lilie, „Einsam. Gesellschaftliche, kirchliche, diakonische Perspektiven“.

Einsam ist, wer sich einsam fühlt! Einsamkeit ist kein heiteres, erfreuliches Thema. Und dennoch gilt es, angesichts von Millionen hiervon Betroffenen und den dahinterstehenden Einzelschicksalen, sich mit diesem gesellschaftlichen Phänomen auseinanderzusetzen. Gemäß repräsentativen Studien fühlen sich 16 % der Deutschen häufig oder ständig einsam.

Ein Grund, den einzelnen Schattierungen und Gesichtern der Einsamkeit, die zudem durch die Pandemie zum Teil disruptiv zutage getreten sind, genauer nachzuspüren. In einer digitalen Veranstaltung am 25. Januar 2023 ginge es um das Thema „Die Not ist groß: Einsamkeitserfahrungen junger Menschen“, an der rund 50 Personen teilgenommen haben.

Die Not ist groß: Einsamkeitserfahrungen junger Menschen in multiplen Krisenzeiten*

Impuls von Daniel Hörsch (midi)

Das Thema des Abends: „Die Not ist groß. Einsamkeitserfahrungen junger Menschen in multiplen Krisenzeiten.“ In 5 Schritten will ich mich dieser Facette der Einsamkeit, wie unsere Veranstaltungsreihe überschrieben ist, annähern.

  • Allgemeines und Begriffsannährungen
  • Einsamkeitserfahrungen junger Menschen
    Vor-Pandemisch - Während der Pandemie - Post-Pandemisch
  • Indikatoren für Einsamkeitserfahrungen junger Menschen
  • Wünsche junger Menschen für die Zukunft: fürs eigene Leben & die Gesellschaft
  • Glaube als Ressource für junge Menschen in unsicheren Zeiten

Allgemeines und Begriffsannährungen

Rund 16% der Menschen in Deutschland fühlen sich oft einsam (SOEP). Eine Forschungsgruppe am Lehrstuhl Psychologische Methodenlehre an der Fakultät für Psychologie der Ruhr-Uni Bochum hat sich einmal die Mühe gemacht, Studie und Statistiken zur Einsamkeit von 1976 bis 2019 auszuwerten. Das Ergebnis: die Einsamkeit junger Menschen in diesem Zeitraum ist leicht angestiegen. Von einer „Einsamkeitsepidemie“ zu sprechen, wie dies allzu häufig im gesellschaftspolitischen Diskurs oder in den Medien der Fall ist, überdramatisiert die tatsächliche Lage.

Auch können wir regionale Differenzierungen erkennen, wie sie anhand der Einsamkeitskarte dargestellt wurden. Wir stellen fest: Einsamkeit zeigt regionale Unterschiede auf nationaler Ebene, d.h. nicht alle Regionen in Deutschland sind gleichermaßen von Einsamkeit betroffen. Durchschnittlich höhere Einsamkeit wurde in den östlichen Regionen Deutschlands gefunden.

Die regionale Verteilung von Einsamkeit lässt sich nicht in einfachen Stadt-Land-Unterschieden beschreiben. Überdurchschnittliche Einsamkeit (dunkelblau) wurde sowohl in städtischeren Regionen wie z. B. Berlin als auch in ländlicheren Regionen (z. B. Südosten Bayerns) identifiziert.

Je stärker eine Region von Bevölkerungsverlusten oder Bevölkerungszuwächsen betroffen ist (d.h. je mehr Fluktuation in der Bevölkerung besteht), desto höher ist die durchschnittliche Einsamkeit der Personen in der Region.

Zur den Begriffsannäherungen

Zunächst zur Chiffre „Junge Menschen“. Hierunter fasse ich Personen zwischen dem 14. und 29. Lebensjahr. Ferner unterscheide ich zwischen Allein-Sein, Einsam-Sein und dem, was das Jugendwort 2020 versucht hatte, einzufangen: „Lost“ – also das Gefühl, alleingelassen worden zu sein.

Grundsätzlich muss man sozialwissenschaftlich und psychologisch unterscheiden zwischen Einsamkeit und sozialer Isolation. Soziale Isolation bezeichnet kurz gefasst die Dimension, mit der die soziale Eingebundenheit von Menschen objektiv beschrieben wird; bspw. anhand der Qualität, Häufigkeit und Zahl sozialer Kontakte.

Einsamkeit beschreibt die subjektive Erfahrung, die mit der sozialen Isolation einhergehen kann. Sie gilt als eine individuell erlebte Diskrepanz zwischen den vorhandenen und gewünschten sozialen Beziehungen. Einsamkeit geht mit negativen, belastenden Gefühlen einher, wohingegen Alleinsein nicht zwangsläufig zu Einsamkeitsgefühlen führen muss. Zudem gibt es auch das Empfinden einer positiven Form der Einsamkeit, dem „Gut mit sich-Sein“-Könnens.

Das Phänomen Einsamkeit kann allgemein als Ausdruck einer Lebenslage verstanden werden, die sich in einem mangelnden Zugang zu sozialen Ressourcen und gesellschaftlichen Infrastrukturen ausdrückt. Einsamkeit kann somit als mangelnde soziale Teilhabe und fehlende Möglichkeiten der Befriedigung eigener sozialer Bedürfnisse und somit als Gegenbild zu einer inklusiven Gesellschaft beschrieben werden. Es macht deshalb durchaus Sinn von einer „Lost“-Generation zu sprechen, also von Allein-Gelassenen. Diese Kategorie liegt quasi quer zur den drei o.g. Dimensionen der Einsamkeit und stellt m.E. eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen in diesen multiplen Krisenzeiten dar.

Einsamkeitserfahrungen junger Menschen
Vor-Pandemisch - Während der Pandemie - Post-Pandemisch

Überblickt man die mediale Berichterstattung vor 2020, also vorpandemisch, so könnte man den Eindruck gewinnen, wir hätten es gegenwärtig mit einer Einsamkeitsendemie‘ zu tun. Überschriften wie „Twentysomethings einsamer als Senioren“ (DLF), „Studie über Millennials. Eine ziemlich einsame Generation“ (Stuttgarter Zeitung) oder „Warum sind junge Menschen so einsam?“ (SPIEGEL) stehen hierfür exemplarisch.

Allerdings ist diese Sicht von einem grundlegenden Missverständnis bestimmt. So wird von der empirisch belegbaren Zunahme an Alleinlebenden automatisch auf ein höheres subjektives Einsamkeitsempfinden geschlossen. Diesem vermeintlichen Zusammenhang fehlt allerdings empirisch die Substanz fehlt. Rund 16% der Menschen in Deutschland fühlen sich oft einsam (SOEP). Eine Forschungsgruppe am Lehrstuhl Psychologische Methodenlehre an der Fakultät für Psychologie der Ruhr-Uni Bochum hat sich einmal die Mühe gemacht, Studie und Statistiken zur Einsamkeit von 1976 bis 2019 auszuwerten. Das Ergebnis: die Einsamkeit junger Menschen in diesem Zeitraum ist leicht angestiegen. Von einer „Einsamkeitsepidemie“ zu sprechen, wie dies allzu häufig im gesellschaftspolitischen Diskurs oder in den Medien der Fall ist, überdramatisiert die tatsächliche Lage.

Vor-Pandemisch fühlten sich 23% der 18-29-Jährigen ständig/häufig einsam, zwar deutlich stärker ausgeprägt als die Gesamtbevölkerung, allerdings ‚nur‘ knapp mehr als ein Fünftel. Die Pandemie und das Erleben derselben hat sicher bei jungen Menschen das subjektive Empfinden der Einsamkeit in vielerlei Hinsicht verstärkt, vor allem aber das Gefühl des Allein-Gelassen-Seins.

Exemplarisch hierfür sind Aussagen aus einer Studie der Bertelsmann-Studie (Originalzitate):

  • „Was viele Jugendliche abfuckt ist das man überhaupt nicht gehört wird, die Tagesschau sprichtüber Schüler jedoch werden nur die Meinungen von Erwachsenen gezeigt aber nicht von denjeni-gen, die es überhaupt betrifft.“
  • „Mein gesamter Wochenablauf findet jetzt zuhause statt, wenn man von der Arbeit und Lebens-mitteleinkäufen absieht und das ist absolutes Gift für eine bereits angeknackste Psyche. Und dasSchlimmste ist, dass es gerade ‚allen‘ so geht und man sich deswegen nicht beschweren darf.“
  • „Auf der anderen Seite habe ich in meinem sozialen Umfeld viel Zusammenhalt und Fürsorge er-lebt, sei es im Freundeskreis oder in der Nachbarschaft. Mein Wunsch, sich für andere zu engagie-ren, sei es politisch oder sozial, ist dadurch gestiegen.
  • „Die große negative Seite sind die fehlenden sozialen Freizeitangebote wie Konzerte, Festivals undPartys. Gefühlt lebe ich gerade nur für die Uni und insgesamt ist mein Leben zur Zeit sehr gleich-förmig und langweilig und plätschert so vor sich hin.“

Dieselbe Studie der Bertelsmann-Stiftung hat herausgefunden, dass sich 35,2% der jungen Menschen während der Pandemie dezidiert einsam gefühlt haben. Das entspricht einer Steigerung zum Vor-Pandemischen von 12%. Noch deutlicher wird der Anstieg des Einsamkeitsempfindens junger Menschen, wenn man sich den Altersvergleich 2016 – 2020 betrachtet. Demnach stieg der Anteil derer, die sich einsam fühlen von 9% im Jahr 2016 auf die bereits erwähnten knapp 35%. Fragt man nach den Beschwerden oder Symptomen, die bei jungen Menschen während der Pandemie verstärkt aufgetreten sind und die symptomatisch sind für Einsamkeitserfahrungen, sind es die „Niedergeschlagenheit“ (+11%) und Gereiztheit (+14%).

Post-Pandemisch wurden junge Menschen nach ihren größten Sorgen gefragt. Neben Krieg, Inflation, Arbeitslosigkeit und Klimaveränderung – also Themen, die gesellschaftspolitisch gegenwärtig oben aufliegen – ist es die Angst vor der Einsamkeit im Alter (34,9%), die in diesem Maße bisher bei jungen Menschen noch nicht gemessen wurde.

Indikatoren für Einsamkeitserfahrungen junger Menschen

Überblickt man die Forschungsliteratur zum Thema, so lassen sich drei Körbe an Indikatoren bilden. Bis zum 5. Lebensjahr äußert sich kindliche Einsamkeit vor allem in der Angst, von den engsten Bezugspersonen verlassen zu werden (Verlust von „Urvertrauen“). Stabile Beziehungen sind in diesem Alter doppelt wichtig: als Versicherung gegen chronische Einsamkeitsgefühle und als Voraussetzung, auch ohne Ängste allein sein zu können. Individualisierung und Vereinzelung in einer Gesellschaft der Singularitäten wirken auf die Lebenswirklichkeit junger Menschen. Trotz „institutionalisierter Kindheit“ (familiales, schulisches Setting) sind vor allem die informellen sozialen Beziehungen und Communities diverser geworden und stellen sich weniger selbstverständlich dar → soziale Beziehungen, die tragen, müssen akiver gesucht, ausgehandelt und individuell aufrechterhalten werden.

Strukturelle Ungleichheiten (bspw. Wohn-/Lebensumfeld, materielle Möglichkeiten, Bildungschancen) bei jungen Menschen, die allerdings bisher in der Einsamkeitsforschung nur rudimentär erforscht sind.

Wünsche junger Menschen für die Zukunft: fürs eigene Leben & die Gesellschaft

Ruft man sich in Erinnerung, dass Einsamkeit als Ausdruck mangelnder soziale Teilhabe und fehlenden Möglichkeiten der Befriedigung eigener sozialer Bedürfnisse verstanden werden kann, lohnt sich ein Blick auf die Wünsche der jungen Menschen – für die eigene Zukunft und die Gesellschaft. Ich beziehe mich im Folgenden auf eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD zum Thema „Lebens- und Glaubenswelten junger Menschen“.

Bei den Wünschen für die Gesellschaft sind es vor allem Toleranz und Chancengleichheit sowie Zufriedenheit, die als wesentlich genannt wurden. Zusammenhalt, Frieden und Klimaschutz werden neben der Bildung und Sicherheit als wichtig erachtet.

Bei den Wünschen fürs eigene Leben ist es vor allem die Gesundheit, gefolgt von Erfolg, Wissen, mehr Zeit und Selbstsicherheit und alles Aspekte rund ums Thema Familie/Partnerschaft, die als wesentlich genannt werden.

Entscheidend wird es darauf ankommen, inwieweit die Bedürfnislagen der jungen Menschen mit gesellschaftlichen Kontexten ‚matchen‘ bzw. die gesellschaftlichen Infrastrukturen dafür bereitgehalten werden.

Glaube als Ressource für junge Menschen in unsicheren Zeiten

Als Diakonie und Kirche kommen wir selbstredend nicht umhin, auch danach zu fragen, ob und inwiefern der christliche Glaube jungen Menschen Halt und Orientierung in unsicheren Zeiten gibt. Die Ev. Arbeitsstelle midi hatte hierzu im Dezember 2022 eine repräsentative Umfrage in der bundesdeutschen Bevölkerung in Auftrag gegeben. Demnach gaben 33,3% der befragten Menschen ab 18 Jahre an, dass sie im christlichen Glauben Halt und Orientierung finden. Unter den Evangelischen sind es gar rund 53,9%. Erstaunlich allerdings vor allem der Befund zu den jungen Menschen: 46,7% der 18-29-Jährigen finden im christlichen Glauben Halt und Orientierung.† Mit Blick auf die Zukunft des Christlichen in unserer Gesellschaft wie ich finde ein ermutigender Befund.

#zukunftsrelevant (Dr. Kathinka Hertlein, AEJ)

Viel war in der Pandemie die Rede davon, welche gesellschaftlichen Gruppen „systemrelevant“ seien. Die AEJ hat mit einer Kampagne dezidiert darauf aufmerksam gemacht, dass die Gruppe der jungen Menschen vor allem zukunftsrelevant sind: #zukunftsrelevant.

Ergebnisse einer Befragung des Sinus-Instituts im Herbst 2022 machen bzgl. der Gemütslage junger Menschen deutlich, dass es vor allem die Einsamkeit war (35%), gefolgt von der Langeweile (32%). Deutlich abgeflacht in der Ausprägung sind die positiv konnotierten Angaben wie Entschleunigung (17%) oder sozialer Zusammenhalt (7%). Hält man sich die Kartoffelgrafik jugendlicher Lebenswelten vor Augen, so sind Einsamkeitserfahrungen überdurchschnittlich bei jungen Menschen aus prekären Lebenswelten, der konsum-materialistischen Lebenswelt und aus der experimentalistischen Lebenswelt feststellbar, wohingegen junge Menschen aus der traditionell-bürgerlichen Lebenswelt unterdurchschnittlich vertreten sind.

Mit der Kampagne #zukunftsrelevant wollte die AEJ darauf aufmerksam machen, dass die evangelische Kinder- und Jugendarbeit und die evangelische Jugendsozialarbeit relevant ist und zu einer stärkeren Sichtbarkeit beitragen. Gerade für junge Menschen in schwierigen sozialen Verhältnissen ist die evangelische Kinder- und Jugendarbeit oft ein letzter Anker. Vor allem wurde die Kampagne #zukunftsrelevant über Social Media ausgespielt. Zentrale Botschaften waren:

  • Es darf keine Corona-Generation geben! Die Gegenwart von jungen Menschen ist zukunftsrelevant. Themen wie der Klimawandel kennen keine Pause.
  • Junge Menschen müssen ihre Mitbestimmungsrechter wahrnehmen können. Nicht ohne Grund wurde vor allem während der Pandemie von vielen jungen Menschen beklagt, dass sie bei Entscheidungen, die ihren Alltag betreffen, nicht gehört wurden.
  • Außerschulische Angebote sind auch post-pandemisch fortgeführt werden. Ihre nachhaltige helfende Wirkung bei jungen Menschen ist nachgewiesen.
  • Die Pandemie hat gezeigt: die Angebote für junge Menschen müssen in guten Zeiten krisensicher etabliert werden, damit sie in schwierigen Zeiten hilfreich sein können.
  • Junge Menschen brauchen Verlässlichkeit und Kontinuität, weshalb die strukturellen Rahmenbedingungen und Kooperationen dies auch abbilden sollten.

Im kollegialen Austausch hat sich gezeigt, wie elementar gut durchgeführte Kampagnen wie die Kampagne #zukunftsrelevant sind, allzumal es für alle TrägerInnen der Kinder- und Jugendarbeit eine enorme Herausforderung darstellt, heutzutage junge Menschen gut und passend anzusprechen. Erschreckend sei post-pandemisch, dass viele junge Menschen Grundkompetenzen im Sozialen neu erlernen müssten. „Wie geht Freundschaft?“ - eine nicht selten gestellte Frage von jungen Menschen. Auf der anderen Seite ist allerdings auch eine neue Achtsamkeit bei jungen Menschen feststellbar, eine Rücksichtnahme untereinander. Zudem gibt es nicht wenige junge Menschen, die nach der langen Zeit der Pandemie und des digitalen Overload wieder das Präsentische Erleben wertschätzen, wobei darauf zu achten sein wird, beides, das Digitale und Präsentische gut miteinander in Verbindung zu halten.

Angebote für junge Menschen im ländlichen Raum (Pfr. Göpfert, Landesjugendpfarramt EVLKS)

Pfarrer Steffen Göpfert vom Landesjugendpfarramt in Sachsen stellte Angebot für junge Menschen im ländlichen Raum vor, die sich dem Mit-Machen (analog zu Partizipationspyramide von Straßburger und Rieger) und dem An-Kommen (analog den Überlegungen von Hartmut Esser zu Soziale Integration) entsprechen. Entscheidend gerade für die 12-18-Jährigen sei, darauf zu achten, in welchen Zeitfenstern diese Gruppe von jungen Menschen überhaupt noch Ressourcen übrig hat für außerschulische Angebote. Ferner sei anzuerkennen, dass die Peer-Group von zentraler Bedeutung ist für diese Gruppe junger Menschen. Ein Peer-to-Peer-Ansatz in der Jugendarbeit ermöglicht es jungen Menschen, Lernprozesse für andere junge Menschen zu initiieren. Wesentlich sei, dass junge Menschen gute Orte (safe spaces) und verlässliche Ansprechpersonen brauchen. Nur dann lassen sie sich auch auf entsprechende Angebote gerne ein. Unter anderem sei dies im Modellprojekte der Jugendarbeit im Kirchenbezirk Meißen-Großenhain gelungen. Hier wurden zwei Modellprojekte sowie eine neu geschaffene Projektstelle vorgestellt, die durch eine Mischfinanzierung möglich wurde. Ziel sei es, heranwachsende Jugendliche im Konfirmandenalter zu Teamtrainern zu qualifizieren und das Gruppengefühl durch unterschiedliche Freizeitformate zu stärken. Die Jugendarbeit im ländlichen Raum hatte zugleich ein Partnerprojekt (Konfirmandenprojekt) mit dem städtischen Raum (Dresden-Neustadt). Ziel war zudem, alle Schüler in Großenhain zu erreichen, um ihnen auf dem Pfarrhof eine Kontaktfläche zur Kirche zu bieten. Weiterhin wird die Vernetzung zur Sozialarbeit gesucht und für Lehrer und Erzieher Angebote der Erlebnispädagogik angeboten

Kinder-, Jugend- und Familientreff Parchim: ein Ort der Halt und Orientierung gibt (Sabine Bittermann)

Problemviertel mit Potenzial

Problemviertel, sagen die einen, Ghetto, die anderen. Und eine ehemalige Bewohnerin sagt, dass es sehr viel besser geworden sei. Sie möchte dieses Schlechtreden nicht mehr hören. Fest steht: Seit dreißig Jahren kämpfen die Menschen in der Parchimer Weststadt mit vielen Notlagen und Herausforderungen. Zwischen 1993 und 2011 hatte die Stadt begonnen, die seit 1963 entstandene Plattenbausiedlung umzugestalten. Tristesse und Leerstand zu bekämpfen. Wohnblöcke wurden abgerissen, Grünflächen und Spielplätze angelegt. “Weststadt wird Waldstadt” war die wohlmeinende stadtplanerische Überschrift über das Projekt. Aber Tristesse ist geblieben und die Sorgen vieler Menschen auch. Die meisten der Anwohner:innen sind auf Transferleistungen angewiesen. Die Weststadt ist der größte, bevölkerungsreichste und kulturell vielfältigste Stadtteil Parchims. Hier lebt fast ein Viertel der Stadtbevölkerung, viele haben eine internationale Geschichte. Und: Ein Drittel aller Parchimer Kinder sind in den Wohnblöcken der Weststadt zu Hause, nicht in der backsteingotischen Altstadt.

Alles unter einem Dach

Schulsozialarbeit, Tagesgruppen, Ambulante Hilfen zur Erziehung, Psychologische Beratungsstelle, Jugendmigrationsdienst, Respect Coach, Schuldnerberatung, Migrationssozialberatung und Migrationsberatung für erwachsene Zuwander:innen sowie Straffälligenhilfe. Alles Tür an Tür und unter einem Dach.

Ein kluges Konzept, das versucht den komplexen Problemlagen vieler der hier lebenden Erwachsenen und der Kinder auf möglichst unkomplizierte Art zu begegnen. Der Vorteil ist, dass alles unter einem Dach beheimatet ist. Diese Art der ressortübergreifenden, multiprofessionellen Teamarbeit bringt die besten Ergebnisse.

Face-Familienzentrum Berlin-Reinickendorf: wie man im Sozialraum die Not von jungen Menschen linder kann (Dorothea Schmidt)

Das FACE Familienzentrum der Evangelischen Kirche in Reinickendorf wurde im April 2010 mit dem Ziel der Entwicklung von familien- und nachbarschaftsrelevanten Angeboten gegründet und umfasst mittlerweile eine Vielzahl von unterschiedlichen Angeboten, die in Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen und Kooperationspartnern im Märkischen Viertel entwickelt wurden.

Die vier Themenschwerpunkte des FACE sind FAMILIE, NACHBARSCHAFT, INTEGRATION und BILDUNG. Träger des FACE Familienzentrum ist die Evangelische Kirche in Reinickendorf.

Unter dem Dach des FACE befinden sich auch die senatsgeförderten Projekte Lokaler Bildungsverbund Märkisches Viertel und BENN im MV. Der „Lokale Bildungsverbund Märkisches Viertel“ ist ein Programm des Berliner Senats, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung, Jugend und Familie, mit dem Ziel, lokale Bildungsakteure im Sozialraum zu vernetzen, bessere Qualität der Bildung durch Chancengerechtigkeit und Teilhabe und gelingende Bildungsbiographien durch verbesserte Übergänge von Kita-Schule-Beruf zu ermöglichen.

Das Programm „BENN-Berlin entwickelt neue Nachbarschaften“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen arbeitet mit dem Ziel Nachbarschaften rund um die geplante Flüchtlingsunterkunft im Märkischen Viertel zu stärken, bürgerschaftliches Engagement zu aktivieren und zu unterstützen, Kooperation und Vernetzung von Akteuren im Bereich Integration zu fördern und Geflüchtete zu unterstützen.

Das Face-Familienzentrum ein gutes Beispiel für Allianzen gegen Vereinsamung im Sozialraum.


* Der Impuls von Daniel Hörsch steht als YouTube-Clip zur Verfügung:
https://www.youtube.com/watch?v=ZIz_xEFnfX8

Alle Ergebnisse der Civey-Umfrage von midi finden sich hier:
https://www.mi-di.de/media/pages/aktuelles/9719a6822a-1670421651/2022-12-civey-umfrage-christlicher-glaube-in-unsicheren-zeiten_v1.pdf

"Die Not ist groß: Einsamkeitserfahrungen junger Menschen" Dr. Kathinka Hertlein, AEJ Zukunftsrelevant (mi-di.de)

"Die Not ist groß: Einsamkeitserfahrungen junger Menschen in multiplen Krisenzeiten" Impuls von Daniel Hörsch ǀ Ev. Arbeitsstelle midi 2023-01-25-Einsamkeiteserfahrungen junger Menschen_V3 (mi-di.de)

"Facetten der Einsamkeit" Steffen Göpfert, Ev. Jugend Sachsen Facetten der Einsamkeit, Mid JA in ländlichen Raum (mi-di.de)