Religiöse Indifferenz

Was ist religiöse Indifferenz?

In der Religionssoziologie wird Indifferenz oft mit „Gleichgültigkeit“ übersetzt. Dabei pendeln die Zuschreibungen an den Begriff zwischen „Passivität, Trägheit, Teilnahmslosigkeit, Indolenz, Langeweile, Blutleere, Bequemlichkeit, Gefühllosigkeit, Uninteressiertheit“.

In Fachkreisen wird Indifferenz auch als „Unentschiedenheit gegenüber der Existenz Gottes oder religiösen Fragen“ beschrieben. Nicht selten verwenden Säkularisierungstheoretiker Indifferenz als Synonym für eine Mitgliedschaft in Halbdistanz oder für Phänomene wie die Konfessions- bzw. Religionslosigkeit.

Indifferenz ist eine Haltung der Unbestimmtheit

Indifferenz kann als eine Haltung der Unbestimmtheit entweder gegenüber dem Religiösen oder der Religiösen Repräsentation verstanden werden.

Diese Definition versteht Indifferenz als „positive geistig-geistliche Haltung“, die den Menschen für den Willen Gottes vorbereitet. Sie fußt auf Überlegungen aus den EKD-Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen KMU II und KMU IV. Die Formulierung gesteht Indifferenten auch eine Mündigkeit zu, die Dietrich Bonhoeffer religionskritisch für die Religionslosen eingefordert hatte.

Was bedeutet religiöse Indifferenz für die kirchliche Praxis?

Junge Erwachsene sind klassische Indifferente

Eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD hat im Herbst 2018 eindrücklich nachgezeichnet, wie plural die Haltungen von jungen Erwachsenen zur Institution Kirche und zum eigenen Glauben sind, und wie sehr der Prozess der Selbstverortung an gesellschaftliche Ausdifferenzierungen gekoppelt ist. Bei den jungen Erwachsenen haben wir es kirchlicherseits klassisch mit Menschen im Feld der Indifferenz zu tun.

Kasualien unter Indifferenten

Ein Erfahrungswert aus Beratungsprozessen vor Ort ist, dass Pfarrpersonen es bei Kasualien und liturgischen Feiern oft mit Menschen aus dem Feld der Indifferenz zu tun haben. Ernüchternd ist, dass die Erwartung indifferenter Menschen an Kirche vor allem die gehalt- und stilvolle Begleitung an Lebenswenden ist.

Sprachfähigkeit und Ansprechbarkeit von Kirche

Vieles, was früher voraussetzungslos und unausgesprochen in der Kommunikation des Evangeliums mitgeschwungen hat, ist heute erklärungsbedürftig. Nicht immer gelingt die gemeinsame Verständigung im Sinne einer Resonanz. Insofern stellt das Thema Indifferenz vielfältige Fragen an die Sprachfähigkeit und Ansprechbarkeit von Kirche und zielt auf die Herausforderungen und Chancen, die eventuell mit einem „Gesamtkatechumenat“ oder mit einer „Theologie des Hörens“ verbunden sind.

Netzwerke wahrnehmen

Aus der Netzwerkforschung, insbesondere aus der Sonderauswertung zur V. EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft wissen wir, dass sich viele indifferente Menschen lebensweltlich zwar nicht im Angebots-Kontext der parochialen Kerngemeinde verorten, im Sozialraum aber trotzdem in vielfältiger Weise Beziehungen zu kirchlichen und diakonischen Wirkkreisen pflegen. Diese Netzwerke gilt es aus kirchlicher Sicht zunächst einmal wahrzunehmen und schließlich besser zu würdigen.

Kontakt

Daniel Hörsch ist Ihr Ansprechpartner für Religiöse Indifferenz.

Literatur

  • Martin Beyer, Michael Kropff, Ulf Liedke (Hg.), Religionsloses Ostdeutschland? Wahrnehmungen und Diskurse. Leipzig 2015.
  • Michael Domsgen, Evangelium kommunizieren in einer mehrheitlich konfessionslosen Gesellschaft. Sechseinhalb Thesen in kirchentheoretischer Absicht. In: WzM 70 (2018), Heft 2, S. 165-180.
  • Matthias Pöhlmann (Hg.), Abschied von der Religion? Säkularisierung - Konfessionslosigkeit - neuer Atheismus. EZW-Texte 257. Berlin 2018.
  • Miriam Rose, Michael Wermke, Konfessionslosigkeit heute. Zwischen Religiosität und Säkularität. Leipzig 2014.